Rund 185 Kilometer Messstrecke, verteilt auf vier Messlinien entlang des historischen Westfälischen Hellweges, haben die auffälligen Vibro-Trucks – Spezialfahrzeuge zur Aussendung von Schallwellen in den Untergrund – in den letzten vier Wochen bewältigt. Ziel der Untersuchungen im Auftrag des Geologischen Dienstes NRW (GD NRW) war die Erkundung von Kalksteinhorizonten in bis zu 4 Kilometern Tiefe. Diese Gesteine können in Spalten und Hohlräumen Wasser führen. Sie haben damit ein hohes Potenzial für die Wärmegewinnung mittels hydrothermaler Geothermie, bei der das natürlich im Untergrund vorkommende heiße Wasser zur klimafreundlichen Wärmeversorgung ganzer Stadtteile genutzt wird.
Zwei zeitgleich messende Konvois mit je 3 Vibro-Trucks waren vom 15. September bis zum 16. Oktober für die Seismik „Westfälischer Hellweg“ zwischen Wuppertal und Paderborn sowie zwischen Hagen und Recklinghausen unterwegs. Die Messungen fanden im Rahmen des landesweiten Explorations- und Bohrprogramms „Geowärme – Wir erkunden NRW.“ im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW statt.
Um zu untersuchen, in welchen Tiefen und in welchen Mächtigkeiten geeignete geologische Schichten vorliegen, haben die Vibro-Trucks an insgesamt 5 600 Anregungspunkten Schallwellen in den Untergrund gesendet. Die Vibrationen wurden in der Tiefe von den unterschiedlichen Gesteinsschichten reflektiert und an der Oberfläche von Geophonen empfangen. Aus den so erhobenen Daten lässt sich ein zweidimensionales Abbild des Untergrundes erstellen – ähnlich wie bei einer Ultraschalluntersuchung in der Medizin.
In den kommenden Monaten widmen sich die Fachleute des GD NRW der Analyse und Interpretation dieser Daten. Anschließend werden die Ergebnisse in der Region vorgestellt und der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen. Kommunen und Energieversorger, aber auch Industrie- und Gartenbaubetriebe können darauf aufbauen und lokale Projekte realisieren. Bei der Umsetzung unterstützt das Land NRW zusammen mit der NRW.Bank mit einem mehrstufigen Förderplan. Denn das Ziel der Landesregierung ist, die tief liegenden Wärmevorkommen stärker zu nutzen und bis zum Jahr 2045 ca. 20 Prozent des Wärmebedarfs in Nordrhein-Westfalen durch Geothermie zu decken.
Großes Interesse in der Region
Das Interesse der Bevölkerung und der lokalen Medien an den Messungen war sehr groß. „Viele Menschen sind an die Strecke gekommen, um die Messfahrzeuge live zu erleben“, berichtet Projektleiter Ingo Schäfer vom GD NRW. „Wir haben uns sehr über das große Interesse an dem Thema und die vielen positiven Reaktionen gefreut.“
Auf Infoveranstaltungen in Soest, Dortmund und Hagen konnten Bürgerinnen und Bürger Antworten auf Fragen zu den Messungen und den Zielen des Projektes, aber auch zu Befürchtungen bekommen. „Wir nehmen die Anliegen aus der Bevölkerung sehr ernst“, versichert Geologe Schäfer. „Deshalb begleiten wir unsere Untersuchungen mit einem umfangreichen Kommunikationsangebot, unter anderem auf Social Media und direkt vor Ort bei den Messfahrzeugen.“
Die Kommunen in der Region waren von Anfang an eng eingebunden, beispielsweise bei Abfragen zum Verlauf von Leitungen, zu Umwelt- und Denkmalschutz oder zur Kampfmittelfreiheit. „Wir danken allen Beteiligten für ihre Unterstützung“, betont Schäfer. „Sobald die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen, werden wir in der Region über die Chancen und die Herausforderungen, die daraus resultieren, informieren. Das Ziel ist es, dass aus den erhobenen Daten letztendlich lokale Geothermieprojekte werden, die die klimafreundliche Wärmeversorgung in Nordrhein-Westfalen voranbringen.“
Erste Kommunen gehen in die Umsetzung
„2021 haben wir die ersten seismischen Messungen im Rahmen der geologischen Landesaufnahme im Münsterland durchgeführt“, erläutert Schäfer. „Seitdem ist viel geschehen: Die Stadtwerke Münster entwickeln, basierend auf den positiven Ergebnissen, nun ein eigenes Projekt! Auch bei den in den Folgejahren erhobenen Daten im Rheinland und am Niederrhein sehen wir, dass die Kommunen in die Prüfung und Planung gehen.“ Die Ergebnisse der letzten Seismik-Kampagne 2024 in Ostwestfalen-Lippe werden in Kürze in der Region präsentiert.
Ein wichtiger Meilenstein des Explorations- und Bohrprogrammes war die im Frühjahr dieses Jahres durchgeführte Forschungsbohrung in Krefeld, bei der es erstmals gelungen ist, die Eignung des Kohlenkalks als geothermisches Reservoir nachzuweisen. Die nächste bis zu 1 000 Meter tiefe Forschungsbohrung wird in Köln-Dellbrück in 2026 starten. In Kempen wird aktuell mithilfe einer bis zu 150 Meter tiefen Bohrung das Potenzial für eine saisonale Wärmespeicherung im Untergrund erkundet.
Messtrupp Ost nach erfolgreichem Abschluss der Messungen in Sümmern
Messtrupp West nach erfolgreichem Abschluss der Messungen in Suderwich