Vibro-Trucks mit Windrad
Geschrieben von kj am Mo., 26.08.2024 - 08:26
Mit vibrationsseismischen Messungen wird der Geologische Dienst NRW ab dem 27. August den tiefen Untergrund in der Region Ostwestfalen-Lippe erkunden. Gesucht werden Gesteinsformationen in der Tiefe, die potenziell für eine geothermische Nutzung geeignet sind. Die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit nach ihrer Auswertung zur Verfügung gestellt.

Gleich zwei Messtrupps, bestehend aus je drei schweren Spezialfahrzeugen, den sogenannten Vibro-Trucks, plus Begleitfahrzeugen und einer rund 25 Personen starken Crew, werden von Ende August bis Ende September zwischen Minden, Paderborn, Bielefeld und Gütersloh unterwegs sein. Die Messungen sollen im Rahmen des Projektes „Geowärme – Wir erkunden NRW.“ ein möglichst detailliertes Abbild des Untergrundes bis in 4 000 Meter Tiefe liefern – ähnlich einem Ultraschallbild.

Anhand der Daten lässt sich abschätzen, wo sich potenziell wasserführende Gesteinsschichten befinden und wie tief diese liegen. Heißes Wasser aus der Tiefe ist wiederum die Voraussetzung, um mithilfe der Tiefengeothermie Fernwärmenetze, Industrie und Landwirtschaft mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen. Diese steht 24 Stunden und 7 Tage die Woche, bei jeder Witterung und zu jeder Jahreszeit zur Verfügung – eine große Chance für Nordrhein-Westfalen, wo viele Kommunen über Fernwärmenetze verfügen, die bislang meist aus fossilen Energieträgern gespeist werden.

Das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen hat den Geologischen Dienst NRW (GD NRW) damit beauftragt, die vibrationsseismischen Messungen durchzuführen. In den letzten Jahren hat der GD NRW drei solcher Messkampagnen durchgeführt: 2021 im Münsterland, 2022 im Rheinland und 2023 am Niederrhein. Erste Kommunen bauen bereits auf den Ergebnissen auf und planen eigene lokale Projekte.

Wie funktioniert Vibrationsseismik?

Schallwellen breiten sich nicht nur in der Luft, sondern auch in festen Strukturen bis tief unter der Erdoberfläche aus. An verschiedenen Gesteinsschichten im Untergrund werden sie unterschiedlich reflektiert. Bei den vibrationsseismischen Messungen erzeugen die Vibro-Trucks mittels einer hydraulisch absenkbaren Rüttelplatte Schwingungen, die sich als Schallwellen bis in mehrere tausend Meter Tiefe fortsetzen. An der Erdoberfläche fangen spezielle Mikrofone (Geophone) die Reflexionen aus dem Untergrund auf und speichern die Daten.

Die Vibro-Trucks bewegen sich entlang von Wegen und Straßen, halten alle 30 Meter an und vibrieren bis zu drei Minuten. So kommt der Konvoi aus drei Vibro-Trucks samt Begleitfahrzeugen und Personal sehr langsam voran, ähnlich einer Wanderbaustelle. Dadurch kann es zu kurzzeitigen Verkehrsbehinderungen kommen.

Die Vibrationen sind in der unmittelbaren Nähe der Fahrzeuge als Kribbeln an den Fußsohlen deutlich zu spüren. Außerdem nimmt das Motorengeräusch während des Messvorgangs zu. „Wir bitten die Anwohnerinnen und Anwohner, etwaige Unannehmlichkeiten zu entschuldigen“, sagt Projektleiter Ingo Schäfer vom GD NRW. „Und wir danken den vielen Verantwortlichen in den Kommunen und Stadtwerken, in Verwaltung und Politik, dass sie uns bei der Vorbereitung der Messkampagne unterstützt haben.“

Bei der Planung der Strecken hatte die Sicherheit von sensibler Infrastruktur wie unterirdischen Leitungen und Brücken oberste Priorität. Auch der Umweltschutz sowie denkmalgeschützte Gebäude wurden umfassend berücksichtigt. „Während der Messungen stellt ein Messtrupp mit Bodenschwingmessgeräten sicher, dass die Vibrationen stets unterhalb der Normwerte bleiben“, ergänzt Schäfer.

Wo und wann finden die Messungen statt?

Sieben Messlinien mit ca. 350 Kilometern Gesamtlänge sind geplant. Die Strecken verlaufen zwischen Stemwede und Porta Westfalica, Petershagen und Oelde, Barntrup und Paderborn, Spenge und Marienmünster, Paderborn und Höxter, Schieder-Schwalenberg und Willebadessen sowie Lichtenau und Borgentreich. Zwei Messtrupps werden zeitgleich auf unterschiedlichen Linien arbeiten. Bis Ende September sollen die Messungen abgeschlossen sein.

Informationen und Aktionen für die Bevölkerung

Auf der Webseite www.geowaerme.nrw.de stehen umfangreiche Informationen über die Hintergründe und Ziele des Projektes „Geowärme – Wir erkunden NRW.“ bereit. Live dabei sein können Interessierte bei drei Veranstaltungen in Minden (So., 1.9.), Bielefeld (Sa., 7.9.) und Paderborn (Sa., 14.9.). In Minden ist der „Vibro-Truck zum Anfassen“ Teil des Tags der Offenen Tür der städtischen Betriebe. In Bielefeld und Paderborn wird er jeweils auf dem Rathausplatz aufgestellt. Das Projekt-Team ist vor Ort und beantwortet gerne die Fragen der Bürgerinnen und Bürger.
Auf Social-Media-Kanälen erklären die Fachleute unter anderem, was ein Geophon ist, warum Sand- und Kalksteine für eine geothermische Nutzung geeignet sind und wie die Geothermie genutzt werden kann. Auch Impressionen von den Messungen und Infos zum Streckenverlauf der nächsten Tage sind unter @geowaermenrw auf Facebook, Instagram und X zu finden.

Hintergrundwissen: Hydrothermale Geothermie

Bei der hydrothermalen Geothermie wird heißes Tiefenwasser genutzt, das durch eine Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt wird. Dort gibt das Thermalwasser seine Energie über Wärmetauscher beispielsweise an ein Fernwärmenetz, einen Industriebetrieb oder ein Gewächshaus ab. Da das Tiefenwasser nach der Wärmenutzung wieder vollständig in den Untergrund zurückgepumpt wird, kommt es im Untergrund zu keiner Volumenänderung. Bei der hydrothermalen Geothermie werden keine Gesteine mit Druck aufgebrochen.

Hintergrundwissen: Masterplan Geothermie NRW

Ziel des Masterplans Geothermie NRW ist es, die tief liegenden Wärmevorkommen umfassend zu nutzen und bis 2045 ca. 20 Prozent des Wärmebedarfs in Nordrhein-Westfalen durch Geothermie zu decken. Ein wichtiger Bestandteil davon ist das Explorations- und Bohrprogramm „Geowärme – Wir erkunden NRW.“, mit dessen Durchführung der GD NRW beauftragt wurde. Weitere Maßnahmen des Masterplans beinhalten u. a. die finanzielle Unterstützung von Kommunen bei Machbarkeitsstudien und Bohrungen.

Quelle

GD NRW