Das Foto zeigt den Bohrplatz in Krefeld mit Schallschutzwänden und Bohranlage
Geschrieben von kj am Mi., 19.03.2025 - 13:07
Seit dem Aufbau des 28 Tonnen schweren Bohrgerätes hat der Krefelder Stadtteil Kempener Feld für die nächsten zwei Monate ein neues Wahrzeichen: einen Bohrturm mit einer Höhe von knapp 17 Metern. Dieser steht an der Girmesgath, auf dem Parkplatz hinter dem Stadthaus. Mit seiner Hilfe wird der Untergrund bis maximal 1.000 Meter Tiefe erkundet. Die Bohrung ist Teil eines Explorations- und Bohrprogrammes zur Erkundung der Potenziale der tiefen Geothermie.

Die Bohrergebnisse in Krefeld sollen wertvolle Erkenntnisse über dort vorkommende, potenziell wasserführende Kalksteinschichten liefern. Die Untersuchungsergebnisse sind repräsentativ für die gesamte Region und können einen wichtigen Beitrag für die künftige Erschließung geothermischer Potenziale leisten. Die Forschungsbohrung wird einen ganz bestimmten Kalkstein erbohren: den sogenannten Kohlenkalk. Dieser entstand vor 363 bis 340 Millionen Jahren. Krefeld war damals Teil eines flachen, warmen Schelfmeeres. Große riffähnliche Kolonien von Organismen mit kalkigen Skeletten besiedelten den Meeresboden. Aus ihren Überresten entstand in Jahrmillionen eine bis zu 300 Meter dicke Kalksteinschicht – der Kohlenkalk. „Kalkstein hat eine Besonderheit: Er bildet Spalten und Hohlräume aus und kann somit wasserführend sein“, erklärt Dr. Ulrich Pahlke, Direktor des Geologischen Dienstes NRW (GD NRW). „Das macht ihn interessant für tiefe Geothermievorhaben – und das nicht nur in Krefeld, sondern in der ganzen Region.“

Am Bohrstandort wird der Kalkstein zwischen 400 und 700 Metern Tiefe vermutet. Weiter nordöstlich liegt er dagegen deutlich tiefer. Dies zeigen Daten von älteren Bohrungen in der Umgebung und neue Daten, die der GD NRW mittels 2D-seismischer Messungen im Jahr 2022 erhoben hat. Am Bohrplatz in Krefeld kann der gesuchte Kohlenkalk daher mit vergleichsweise geringem Aufwand bei einer Bohrtiefe unter 1.000 Metern vollständig erbohrt werden.

Umweltdezernentin Sabine Lauxen freut sich über den Start der Forschungsbohrung: „Auf unserem eingeschlagenenen Weg zur Klimaneutralität kann Geothermie für Krefeld eine sehr wichtige Energiequelle werden. Für unsere Stadt ist es zudem ein großer Gewinn, dass wir bei diesem Projekt eine Vorreiterrolle einnehmen können und dass der Geologische Dienst als bedeutender Landesbetrieb in Krefeld ansässig ist. Die bisherige Zusammenarbeit mit dem Team des Geologischen Dienstes war von großem Vertrauen geprägt – so werden wir weiter zusammen arbeiten.“

Wie läuft die Bohrung ab?

Sobald das Festgestein in ungefähr 300 bis 350 Metern Tiefe erreicht ist, wird im Seilkernbohrverfahren gebohrt, um durchgehende Gesteinsproben in Form von Bohrkernen zu erhalten. Dabei wird ein 3 bis 6 Meter langes, innen hohles, sogenanntes Kernrohr in das Gestein gebohrt und damit eine zylindrische Gesteinssäule ausgefräst. Das Rohr mit dem wertvollen Bohrkern darin wird mit einem Seil an die Oberfläche gezogen. Nach Entnahme des Bohrkerns wird das leere Kernrohr wieder in das Bohrloch herabgelassen, sodass der nächste Kern erbohrt werden kann. Alle Bohrkerne werden von den Fachleuten des GD NRW analysiert und anschließend archiviert. Die Bohrung endet, sobald der Kalkstein komplett durchbohrt ist, maximal jedoch in 1.000 Metern Tiefe.

Nach verschiedenen Messungen im Bohrloch wird es anschließend wieder verschlossen und alles in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Danach steht der Parkplatz wieder vollumfänglich zur Verfügung. „Es wird hier keine Anlage zur Energiegewinnung entstehen. Die Bohrung hat ausschließlich Forschungscharakter“, erläutert Dr. Pahlke.

Erfahrene Partner: Daldrup & Söhne AG und Geothermie Neubrandenburg

Betreiber der Bohranlage ist die Firma Daldrup & Söhne AG, ein erfahrenes Bohrunternehmen mit Standorten in NRW, Bayern und den Niederlanden. Mit der technischen Bohrplanung hat der GD NRW die Geothermie Neubrandenburg GmbH beauftragt, ein international tätiges Beratungs- und Planungsbüro, das geotechnische und ingenieurtechnische Lösungen für die geothermische Energieversorgung, Fernwärme und andere nachhaltige Energiesysteme erarbeitet.

„Wir sind froh, diese erfahrenen Partner an Bord zu haben“, sagt Ingo Schäfer, Projektleiter beim GD NRW. „Von der Gestaltung des Bohrplatzes über die Abdichtung des Bohrlochs bis hin zur fachgerechten Entsorgung von gefördertem Tiefenwasser sind alle Maßnahmen getroffen, um den Schutz von Mensch und Umwelt jederzeit sicherzustellen.“ Die Bohrarbeiten erfolgen rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Zehn Meter hohe Lärmschutzwände schirmen die Nachbarschaft vor Emissionen ab.

Info-Container und Bohrplatzführungen

Der GD NRW hat einen Info-Container am Bohrplatz eingerichtet. Führungen für Interessierte gibt es jeden Samstagvormittag um 10:30 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Treffpunkt ist am Baustelleneingang. Für den Besuch ist unbedingt festes Schuhwerk erforderlich. Auch Gruppen wie Vereine etc. sind eingeladen, einen dieser Termine wahrnehmen. „Die Fachleute des Geologischen Dienstes sind jederzeit vor Ort und begleiten die Bohrarbeiten“, betont Dr. Stephan Becker, Leiter des Bohrprojektes beim GD NRW. „Geowissenschaftliche Fachgruppen, Stadtwerke oder interessierte Gemeindevertreter sind ebenfalls herzlich willkommen und können per E-Mail gerne einen individuellen Termin vereinbaren.“ Auf der Webseite und auf den Social-Media-Kanälen Instagram, Facebook und LinkedIn unter @geowaermenrw postet das Projekt-Team zudem tagesaktuell über die Fortschritte der Bohrung.

Hintergrundwissen: Hydrothermale Geothermie

Bei der hydrothermalen Geothermie wird heißes Tiefenwasser genutzt, das durch eine Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt wird. Dort gibt das Wasser seine Wärme über Wärmetauscher beispielsweise an ein Fernwärmenetz, Industriebetriebe oder Gewächshäuser ab. Das abgekühlte Wasser wird über eine zweite Bohrung wieder vollständig in den Entnahmehorizont zurückgeführt. Der große Vorteil: Die lokale Wärme aus der Tiefe steht witterungsunabhängig rund um die Uhr zur Verfügung. Sie ist klimafreundlich, preisstabil und macht unabhängig von der Lieferung fossiler Brennstoffe.

Hintergrundwissen: Masterplan Geothermie NRW

Die Forschungsbohrung ist Teil des Masterplans Geothermie NRW. Sein Ziel ist es, die tief liegenden Wärmevorkommen in Nordrhein-Westfalen umfassend zu nutzen und bis 2045 ca. 20 % des Wärmebedarfs durch Geothermie zu decken. Ein wichtiger Bestandteil davon ist das Explorations- und Bohrprogramm „Geowärme – Wir erkunden NRW.“, mit dessen Durchführung der GD NRW beauftragt wurde. Weitere Maßnahmen des Masterplans beinhalten u. a. die finanzielle Unterstützung von Kommunen bei Machbarkeitsstudien und Bohrungen.

Quelle

GD NRW